Sehr geehrter Herr Jaeger,

die von Ihnen angesprochene Frage nach der Patentfähigkeit von Software ist Gegenstand einer - auch innerhalb der GI stattfindenden - kontroversen Diskussion. Weit divergierende Positionen vertreten etwa der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur e. V. (FFII) einerseits und etwa der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien e. V. (BITKOM) andererseits. Ich stehe im Rahmen der Kandidatur für das GI-Präsidium für eine vermittelnde Auffassung, die ich Ihnen gern näher erläutern will.

Hintergrund der gesetzgeberischen Aktivitäten auf europäischer Ebene ist der Wille zur Harmonisierung der europäischen Patentpraxis und zu transparenteren Patentierungsvoraussetzungen. Klare und einheitliche Regelungen dienen der Schaffung von Rechts- und Planungssicherheit und sind im Interesse der hiervon betroffenen Unternehmen grundsätzlich zu begrüßen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der derzeit offenen Auslegung von Art. 52 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ). Danach werden Programme für Datenverarbeitungsanlagen als nicht patentfähig eingestuft. Gleichwohl wurden vom Europäischen Patentamt mehr als 20.000 Patente für computerimplementierte Erfindungen erteilt, da im Einzelfall auf die Reichweite des technischen Charakters der jeweiligen Erfindung abgestellt wurde.

Im Laufe des weiteren Verfahrens zur Verabschiedung der EU-Richtlinie sollte eine ausgewogene Position zur Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen angestrebt werden. Würde man nämlich zu einer allgemeinen Versagung von Patentschutz für derartige Erfindungen ungeachtet ihres technischen Bezugs kommen, bedeutete dies eine Benachteiligung von europäischen Unternehmen gegenüber Konkurrenten aus anderen Regionen. Zudem würden, worauf auch von der GI hingewiesen wurde, Softwareinvestitionen vermehrt zur Geheimhaltung der entwickelten technischen Lösungen führen, was gerade in den Bereichen des Electronic Government oder der Kryptografie kontraproduktiv wäre.

Andererseits gilt es, insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen vor den Folgen von Trivialpatenten oder der Patentierung reiner Geschäftsmethoden zu schützen. Die Etablierung einer ausufernden Patentierungspraxis oder die Angleichung an US-amerikanische Patentrechtsverhältnisse würde besonders innovativen Open-Source-Entwicklungs-konzepten schaden.

Im Ergebnis sollten klassische Erfindungen mit Computerimplementierung und vorhandenem technischen Bezug weiterhin patentfähig und damit schützenswert sein. Einhergehend bedarf es einer einheitlichen Patentierungspraxis zur Feststellung der notwendigen Technizität und zum Ausschluss von Trivialpatenten. Hierdurch wird sich eine ausufernde Patentierung und damit eine Software-Monokultur verhindern lassen. In diesem Kontext möchte ich mich auch auf die Handlungsempfehlungen einer vom Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit erstellten Studie über geistige Eigentumsrechte in der Informationsgesellschaft beziehen. Diese ist abrufbar unter

http://www.bmwa.bund.de/Navigation/Service/bestellservice,did=24936.html.

Ich hoffe, Ihnen durch diese Stellungnahme weitergeholfen zu haben.


Mit freundlichen Grüßen

Ihr Jürgen Hensen